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Die Tibetische Medizin ist universell und zeitlos

Sonja Marić hat als persönliche Schülerin und Assistentin des Tibetischen Arztes Dr. Pasang Y. Arya T. Sherpa die Tibetische Medizin gelernt und studiert. Sie ist überzeugt, dass viele Aspekte der Tibetischen Medizin unsere Medizin und unser Gesundheitssystem bereichern könnten. Denn die Prinzipien der Tibetischen Medizin seien universell und zeitlos.

Heute ist Sonja Marić u.a. Lehrbeauftragte für Tibetische Medizin an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, Dozentin für Tibetische Medizin der Deutschen Ärztegesellschaft für Akupunktur e.V. / DÄGfA und Leiterin des Instituts für Ost-West Medizin in Bad Homburg, Deutschland.

Im Interview erzählt Sonja Marić, wie sie zur Tibetischen Medizin kam und warum sie seit über 20 Jahre von diesem Medizinsystem so begeistert ist.

Frau Sonja Marić, wann kamen Sie das erste Mal mit der Tibetischen Medizin in Berührung?

Ich war noch Schülerin, aber bereits sehr an asiatischer Kultur interessiert. Denn ich stamme aus einem Elternhaus, in dem Medizin, vor allem asiatische Medizin und Philosophie eine große Rolle spielen. Der Tibetischen Medizin bin ich auf einer Reise nach Ladakh, Nordindien, vor fast 25 Jahren das erste Mal begegnet. Es war eigentlich Liebe auf den ersten Blick. Mit wachsender Begeisterung bin ich dann mehr und mehr in die Auseinandersetzung mit der Tibetischen Medizin hineingewachsen. Heute ist die Tibetische Medizin ein wesentlicher Bestandteil meines Lebens.

Was hat Sie besonders an der Tibetischen Medizin fasziniert?

Das Spannende an der Tibetischen Medizin ist, dass sie so vielschichtig ist. Zudem bezieht sie den Menschen selbstverantwortlich mit in die Therapie ein. Weiter setzt die Tibetische Medizin Zusammenhänge aus den unterschiedlichsten Blickwinkeln heraus in Beziehung zu einander. Dadurch hat sie eine große Bandbreite an Diagnostik und Anwendungsmöglichkeiten zu bieten und überrascht mit genial einfachen, aber auch ausgesprochen komplexen Ansätzen. Dies zieht mich immer wieder in ihren Bann.

Eines Ihrer Lieblingsthemen in der Tibetischen Medizin ist die Konstitutionslehre, warum?

Die gut verständliche und schnell anwendbare Tibetische Konstitutionslehre befasst sich mit der Theorie der drei Säfte. Diese ist die Basis jeglicher Gesundheitsvorsorge. Ihren ethischen Anspruch, alle Menschen in Liebe und Mitgefühl zu behandeln, halte ich für essentiell, besonders in der heutigen Zeit und in unserem Gesundheitswesen.

Sie haben ein umfassendes Studium der Tibetischen Medizin bei Dr. Pasang Y. Arya T. Sherpa absolviert. Wie war das für Sie und welche Erfahrungen haben Sie gemacht?

Es ist eine grosse Ehre und für mich ein ganz persönliches Glück, einen so einzigartigen Lehrer, wie Dr. Pasang Y. Arya T. Sherpa, zu haben. Von ihm durfte und darf ich weiterhin intensiv lernen. Ich habe großen Respekt vor seinem Wissen und seiner Erfahrung. Ich bin sehr dankbar für die vielen neuen Sichtweisen, die mir diese intensive transkulturelle Begegnung, Zusammenarbeit und Auseinandersetzung im Dialog über so viele Jahre eröffnet hat. Dadurch haben sich mir die Stärken der Tibetischen Medizin und ihre Einsatzmöglichkeiten besonders erschlossen.

Was versuchen Sie als Dozentin Ihren Studenten mit auf den Weg zu geben?

Bei der Einführung in die fundamentalen Konzepte der Tibetischen Medizin versuche ich, auf Basis der Tradition den Blick auf ihre vielen Möglichkeiten zu öffnen und die Einzigartigkeit dieses Medizinsystems zu vermitteln. Es bietet uns heute viele zusätzliche Möglichkeiten, den Menschen und Krankheitsprozesse zu verstehen, Symptomzusammenhänge zu erschliessen und zu behandeln.

Neben Ihrer Dozententätigkeit führen Sie eine Praxis für Tibetische Medizin.  Welche diagnostischen Methoden wenden Sie an?

In meiner Praxis wende ich neben einer klassischen Anamnese spezielle diagnostische Methoden der Tibetischen Medizin wie u.a. Puls- und Zungendiagnostik an. Diese eignen sich besonders zur Einordnung der Beschwerden des Patienten in das ganzheitliche medizinische Denken der Tibetischen Konstitutionslehre. Des Weiteren kommen Palpationsverfahren, im Einzelfall Augenvenendiagnostik und bei Kleinkindern Ohrvenendiagnostik zum Einsatz.

Welche Rolle spielt bei Ihren Therapiemethoden die Ernährung und was sollte man bei der Ernährung beachten?

Eine Ernährungsberatung ist das Fundament von Prävention und Therapie in der Tibetischen Medizin. Sie ist bei vielen, vor allem bei chronischen Krankheitsbildern essentiell, bzw. Grundvoraussetzung für den Heilungserfolg. Es gibt nicht die eine gesunde Ernährungsweise für alle. Diese muss vielmehr auf die Konstitution, den akuten Gesundheitszustand bzw. die Erkrankung individuell abgestimmt werden. Meine Erfahrung ist, dass oft eine Ernährungsumstellung allein bereits erstaunliche positive Ergebnisse zeigt. Eine Ernährungsberatung beinhaltet auch immer Ratschläge zur Lebensweise, zum Lifestyle. Reicht dies nicht aus, kommen andere Behandlungsmöglichkeiten wie äussere Therapieformen sowie Kräuterrezepturen zum Einsatz.

Sie sind neben Ihrer Tätigkeit als Dozentin und Heilpraktikerin auch Medizinethnologin. Wo sehen Sie als Europäerin die Zukunft der Tibetischen Medizin in Europa?

Die Tibetische Medizin unterliegt seit 20 Jahren ähnlichen Herausforderungen wie andere asiatische Medizintraditionen in Europa. Die Nachfrage von seiten der Patienten ist gross. In Brüssel gibt es seit vielen Jahren Bemühungen, asiatische Heilverfahren stärker im Bereich der Schulmedizin und europaweit im Public Health Sektor zu etablieren und zu integrieren. Hier sehe ich für die Tibetische Medizin eine große Chance auf dem Weg zu ihrer offiziellen Anerkennung. Nur so kann sie zum Wohle der Patienten ihr bestes Potential entfalten.

Sonja Marić, vielen Dank für das Gespräch.